Redebeitrag zum Mord an Eugeniu Botnari (13.04.2019)

CN: rassistische Gewalt

Wir befinden uns jetzt am Bahnhofsvorplatz des S Bhf Lichtenberg. Wir wollen an dieser Stelle berichten, was wenige Meter von uns entfernt stattgefunden hat. Im September 2016 kam es in der Edeka- Filiale im Bahnhof zu einem schweren körperlichen Angriff, der aus rassistischen und sozialchauvinistischen Motiven geschah. Einige von euch haben von diesem Übergriff sicherlich schon etwas gehört. Wir wollen auf der heutigen Demonstration noch einmal daran erinnern.

Am 17. September 2016 wurde der wohnungslose Eugeniu Botnari in dieser Edeka-Filiale Berlin-Lichtenberg vom Filialleiter André Siebert beobachtet. Kurz darauf brachte Siebert den 34-jährigen Moldawier in einen verschlossenen Raum des Supermarkts. Hier zog er seine Quarzhandschuhe an, dann prügelte er mehrmals auf den wehrlosen Botnari ein, bevor er ihn trat und aus einer Hintertür in den Hof stieß. Der Filialleiter dokumentierte seine Tat und schickte die Aufnahme über soziale Medien an die Mitarbeiter_innen. Dabei kommentierte er die Tat mit rassistischen Bemerkungen.

Am folgenden Tag besuchte Botnari, gezeichnet von schweren Verletzungen, seine Familie. Er beschrieb den Vorfall und erzählte, er sei „wie ein Hund“ zusammengeschlagen worden. Seine Familienangehörigen rieten ihm, zum Arzt zu gehen. Doch Botnari musste warten, bis ein Arzt, der ihn ohne Versichertenkarte behandelt, Sprechstunde hatte. Wenige Tage später besuchte er einen Freund. Hier klagte er über schwere Kopfschmerzen und konnte die Nacht über nicht schlafen. Als der Freund Notärzt_innen rufen wollte, verließ Botnari dessen Wohnung. Um den 19. September herum ging Botnari zum Arzt, der ihn sofort ins Krankenhaus einwies. Hier starb er kurze Zeit später an einer Hirnblutung.

Der Berliner Beratungsstelle Reach Out zufolge wurden Ende Januar 2017 Ermittlungen gegen den Lichtenberger Filialleiter André S. aufgenommen und ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet. Während der gesamten Verhandlung wurden die rassistischen und sozialchauvinistischen Einstellungen des Angeklagten und einiger Zeug_innen offensichtlich. Allen Prozessbeobachter_innen wurde klar, dass es ähnliche Taten schon mehrfach gegeben hatte. So benutzte der Filialleiter laut Zeug_innenaussagen seine Quarzsandhandschuhe regelmäßig gegen jene, die er als vermeintlich „Ausländer“ erkannte. Diese waren meistens obdachlos. Es war die Regel, sie in einen Lagerraum zu bringen, dort zu schlagen und dies zu filmen. Das Gericht sprach den Angeklagten am 27. März 2017 der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig und verurteilte ihn zu 3 Jahren und 3 Monaten Haft. In der mündlichen Urteilsbegründung verwies der vorsitzende Richter auf die Menschenverachtung, den Rassismus und Zynismus, die der Angeklagte bei der Tatausübung gezeigt habe.
Das Gericht war davon überzeugt, dass mindestens ein Schlag des Filialleiters mitursächlich für den Tod von Eugeniu Botnari war. Weder das Gericht noch die Nebenklagevertretung thematisierten den gesellschaftlichen Rassismus und Sozialchauvinismus, in dessen Kontext die Tat möglich wurde. Durch die begriffliche Kennzeichnung der Tat als „ausländerfeindlich“ und „menschenverachtend“ wurde das Geschehen vor Gericht individualisiert und auf individuelle Einstellungen der Tatbeteiligten reduziert.
Doch Rassismus ist keine Einzelmeinung, sondern ein strukturelles Problem und muss von Anwält_innen sowie im Gericht auch als solches benannt werden.

Wir sind immer noch wütend, dass der Angriff auf Eugeniu Botnari geschehen konnte. Deshalb werden wir auch in diesem Jahr seinen Todestag zum Anlass nehmen, um ein würdiges Gedenken zu ermöglichen und uns für ein solidarisches Miteinander einzusetzen. Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass menschenverachtende, menschenrechtsverletzende, rassistische, sozialchauvinistische Übergriffe stattfinden können.

Wir laden euch ein, am 20.9.2019 gemeinsam mit uns auf die Straße zu gehen und an Eugeniu Botnari zu erinnern. Kein Vergeben- kein Vergessen.