Wir stehen heute hier, weil Nazis unseren Kiez anzünden! Hinter mir befindet sich das „Morgen wird besser“ . Das Lokal wurde letzten Freitag verwüstet und in Brand gesteckt! Für uns ist klar; das war kein Vandalismus, sondern eine politische Tat von Neonazis. Bereits in der Vergangenheit, fanden sich mehrfach antisemitische Parolen an der Fassade und der Inhaber wurde telefonisch bedroht.
Aus dem Grund stehen wir heute hier. Zusammen wollen wir unsere Solidarität ausdrücken. Aber auch unsere Wut darüber, dass solche Taten immer noch in Lichtenberg geschehen können!
Während der Staatsschutz noch einen politischen Hintergrund prüft, wissen wir, dass im Nibelungenkiez immer noch zahlreiche Neonazis leben und arbeiten. Teilweise verfügen sie über direkte Verbindungen in faschistische Parteien oder gewaltbereite Neonazi-Netzwerke. Direkt um die Ecke in der Siegfriedstraße wohnt gleich eine ganze Familie bestehend aus Neonazis. Sohn Patrick tritt seit Jahren bundesweit als Ordner für die NPD auf – wie beim sogenannten „Bombengedenken“ in Dresden 2020. In Berlin ist er als Betreuer des NPD-Lautsprecherwagens auf so gut wie jeder Partei-Veranstaltung anzutreffen. Zum ersten Mal ist er 2011 aufgefallen. Bei einem Spontanaufmarsch verprügelten mehrere hundert Nazis am Mehringdamm in Kreuzberg unter Polizeischutz Passant*innen.
Auch das Tattoo-Studio Utgard liegt nur einen Steinwurf entfernt in der Fanningerstraße. Dies ist ebenfalls seit langer Zeit ein wichtiger Ankerpunkt der Lichtenberger Nazi-Szene. Das Studio wird bis heute von Frank Lutz betrieben. In den 90er Jahren war der maßgeblich am Aufbau der Neonazi-Partei “Nationale Alternative” in Berlin beteiligt.
Die Nationale Alternative war in der Zeit ihres Bestehens für zahlreiche Angriffe auf Linke und Migrant*innen verantwortlich. Außerdem besetzten Parteiaktivisten ein Haus in der Weitlingstraße 122 als Vorbereitungs- und Rückzugsraum. Es war zugleich ein Ort für Schulungen, Parteiabende und Knotenpunkt für millitante Neonazis. Doch damit nicht genug. Über das Utgard gibt es auch mögliche Verbindungen zur Terrorserie des NSU.
Im Jahr 2000 sollte im Utgard ein Waffendeal stattfinden. Die beiden Beteiligten wurden später wegen möglicher Verbindungen zum NSU vernommen. Bei der Waffe handelte es sich vermutlich um Gewehr mit Zielfernrohr. Dessen Eigentümer ist Kopf der Nazi-Rocker Gruppe Vandalen sowie ehemaliges Mitglied der Band Landser.
An der Ideologie von Frank Lutz hat sich bis heute nichts geändert. Das wird an den von ihm gestochenen Tattoos deutlich. So stechen er und seine Mitarbeiter Motive mit explizit nationalsozialistischen Inhalten – unter anderem stilisierte Hakenkreuze oder das Portrait von Horst Wessels. Zudem posieren alle auch mal gerne in Thor Steinar Klamotten. Bei solchen vielfältigen Verbindung vom Tattoo-Studio Utgard in die extreme Rechte verwundert es nicht, dass auch das verbotene Netzwerk Blood&Honour den Laden bewarb.
Der antisemitisch-motivierte Einbruch und die Verwüstung einer Kiezskneipe entsetzt uns! Weiterhin ist durch den Brand in der Kneipe der Tod von Bewohner*innen im darübreliegenden Mietshaus in Kauf genommen! Obwohl es in Lichtenberg lange keine Angriffe dieser Art mehr gegeben hat, sind sie in Berlin leider nicht so selten. In uns weckt der Anschlag Erinnerungen an die rechte Terrorwelle, die seit Jahren in Neukölln tobt. Dort bedrohen Neonazis engagierte Anwohnende, greifen Läden an oder verüben Brandanschläge auf die Wohnhäuser von Politiker*innen. Obwohl die Beteiligten bekannt sind, gibt es keine Ermittlungserfolge gegen das Neonazi-Netzwerk. Stattdessen wird ihnen vom leitenden Oberstaatsanwalt noch zugesichert, dass sie nichts zu befürchten hätten. Auch die Cops bespitzeln lieber Linke oder geben direkt Informationen an die Neonazis weiter. Wir werden nicht zulassen, dass sich in Lichtenberg ein ähnlicher Sumpf entwickelt, in dem sich Neonazis unter dem Blick der Polizei ausbreiten können. Es ist unsere Aufgabe als solidarischer Kiez aufzustehen und gemeinsam die Faschisten in der Nachbarschaft zu bekämpfen. Nur so können wir verhindern, dass sich solche Anschläge wie gegen das „Morgen wird besser“ wiederholen.