Am 16. August beschloss das Lichtenberger Bezirksamt den namenlosen Platz zwischen Rheinsteinstraße und Ehrenfelsstraße an der Treskowallee „Odessa-Platz“ zu benennen. Sicherlich lässt sich fragen, inwiefern ein neuer Platzname, den vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine hilft. Aber als Zeichen, das ihr Leid nicht vergessen ist, können wir diesen Schritt nachvollziehen. Wir findes es vor allem interessant, wie schnell die Benennung des Ortes möglich war.
Als Teil der Initiative „Aktives Gedenken in Lichtenberg“ warten wir seit zwei Jahren darauf, dass der ebenfalls namenlose Vorplatz vom S-Bahnhof Lichtenberg nach Eugeniu Botnari benannt wird. Botnari wurde vor nunmehr fast sechs Jahren im EDEKA-Markt des Bahnhofes vom damaligen Marktleiter derart verprügelt, dass er wenige Tage später an seinen Verletzungen starb. Die Tat war zweifelsfrei von den rechten Einstellungen des Täters geprägt, der Botnari laut eigenen Aussagen deswegen so brutal misshandelte, weil er in ihm einen nicht-deutschen Wohnungslosen sah. Mit der Gedenkinitiative setzen wir uns seit mehreren Jahren dafür ein, dass Eugeniu Botnari als Opfer rechter Gewalt symbolisch einen Platz in der Mitte der Lichtenberger Stadtgesellschaft zurückbekommt.
Ein Antrag zur Schaffung eines würdigen Gedenkortes wurde vor fast zwei Jahren in der BVV beschlossen. Über zweihundert Personen und Gruppen haben sich an einer Petition für die Benennung des Platzes nach Botnari beteiligt. Ihre Unterschriften wurden dem Lichtenberger Kulturausschuss auf einer meterlangen Papierbahn übergeben. Im Jahr 2021 nahmen ungefähr 150 Menschen an einer Kiezdemonstration zum Todestag Botnaris teil. Die Benennung des Bahnhofsvorplatzes nach Botnari findet somit viel Anklang im Kiez. Dennoch ist bisher nichts in diese Richtung geschehen. Seit rund einen Jahr liegt der Antrag für einen Gedenkort unbearbeitet im Schreibtisch des Bezirksbürgermeisters. Es heißt, dass es im Bezirksamt keine Mehrheit für eine Benennung des Platzes gäbe. Es ist beschämend, wenn sich in einem Gremium, dem Stadträt:innen der LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der CDU angehören, nicht genügend Stimmen für dieses Anliegen finden lassen. Der Grund hierfür sind keine bürokratischen Hürden, wie die schnelle Benennung des „Odessa-Platzes“ zeigt. Vielmehr scheint es im Lichtenberger Bezirksamt starke Vorbehalte gegen eine Benennung nach der Person Eugeniu Botnari zu geben. Der Tod eines Menschen, der aus Moldawien nach Berlin kam, hier auf der Straße lebte und Opfer eines Hassverbrechens wurde, lässt sich wohl nicht gut genug politisch ausschlachten. Dazu kommt, dass zumindest der SPD-Stadtrat Kevin Hönicke in der Vergangenheit eine harte Politik gegen obdachlose Menschen im Bezirk gefahren hat. So ließ er beispielsweise das Camp an der Rummelsburger Bucht bei Minusgraden im Februar 2021 räumen. Von so einem ist keine Empathie für das Schicksal obdachloser Menschen zu erwarten. Symbolpolitik für gute Presse ist da wichtiger. Hoffentlich kommen nicht allzu viele Menschen aus Odessa nach Berlin und sind hier auf Hönickes politische Entscheidungen angewiesen. Denn dann endet die öffentlich ausgestellte Solidarität mit Menschen in Not nämlich ganz schnell.
Wir wollen keine Betroffenen-Gruppen gegeneinander ausspielen. Wir verlangen nur die gleiche politische Konsequenz, die zur schnellen Benennung des „Odessa-Platzes“ geführt hat, bei der Benennung des Bahnhofsvorplatzes Lichtenberg nach Eugeniu Botnari. Jetzt gibt es keine politischen Argumente mehr dagegen!
Wer das genauso sieht kommt zu unserer Gedenkveranstaltung zum Todestag von Eugeniu Botnari am 20. September 2022 am S-Bahnhof Lichtenberg. Eine ausführliche Einladung folgt. Niemand ist vergessen!