Der „Zapfhahn88“ macht dicht – eine Chronologie

Die Fassade des dichtgemachten Zapfhahn88, gezeichnet von vielen Farbflechen, Graffitiresten und löchriger Jalousie. Davor steht "Antifa wirkt!"Der Zapfhahn88 in der Konrad-Wolf-Straße 88 galt als einer der wenigen Rückzugsorte der extremen Rechten in Alt-Hohenschönhausen seit der Schließung des Wear­wolf Street­ware 2008 [1] direkt nebenan (89). Die BFC-Fankneipe war Austragungsort der monatlichen Stammtische der Lichtenberger NPD. Bereits am 8 Juli 2011 diente der Zapfhahn dem NPD Tarnverein „Pro Berlin-Lichtenberg e. V“ als Location für ihren Stammtisch [2]. Wenig später trafen sich hier jeden zweiten Donnerstag im Monat etwa ein dutzend Neonazis um Manuela und Dietmar Tönhardt, versorgten sich mit NPD-Material und zogen meist anschließend los, um in der Gegend Aufkleber zu kleben oder zivilgesellschaftliche Projekte zu beschädigen [3]. Von hier aus wurden um das Jahr 2015 Aktionen gegen Geflüchtetenunterkünfte und solidarische Projekte im Kiez organisiert und ausgeführt. Neonazis fotografierten sich gegenseitig beim Zeigen des Hitlergrußes während des NPD-Stammtisches oder posierten vermummt mit Pyrotechnik. Das alles geschah im Wissen und Beisein der Wirtin [4][5].
Nach den rassistischen Mobilisierungen ging der NPD im Bezirk schnell die Luft aus. Die Aktivitäten der Hohenschönhausener Neonazis wurden zunehmend nicht mehr im Namen des Ortsverbandes getätigt, wie auch die nach wie vor stattfindenen Stickertouren zeigen. Gestickert wurde nun beispielsweise vermehrt Propaganda der Identitären Bewegung. Was von den NPD Stammtischen blieb war eine Kneipe, die weiterhin als Rückzugsort Berliner Neonazis fungierte, wie sich 2019 zeigte. Die Neonazis der „Schutzzonen“ Kampagne der NPD trafen sich hier, nachdem sie an anderer Stelle für das „Dienstagsgespräch“ (regelmäßige Veranstaltung des Faschisten Hans-Ulrich Pieper mit wechselnder Location) Wache gestanden haben. Der Zapfhahn war zu dem Zeitpunkt nicht geöffnet, die Gruppe hatte einen Schlüssel [6].

Die extrem rechten Aktivitäten, die von der Adresse ausgingen, hatten Konsequenzen. Aus diesem Grund wollen wir die uns bekannten antifaschistischen Interventionen kurz zusammenfassen:

04. April 2008 – erste Erwähnung als Ziel antifaschstischer Angriffe

Der Zapfhahn88, sowie der benachbarte Laden Wearwolf, werden mit Farbflaschen angegriffen [7]. Aus dem Bekenner:innenschreiben geht hervor, dass der Zapfhahn bereits zuvor Ziel antifaschistischer Aktionen war [8]


15. Feb. 2017 – Angriff mit Steinen, Farbe & Buttersäure [4][9][10]

Facebookpost des Zapfhahn88, der Bilder nach dem Angriff zeigt. Darauf zu sehen sind Bitumenflecken an Fassade, Boden und Wänden. Dazu der Kommentar: "So sieht es jetzt in unserer ehemals gemütlichen Familienkneipe aus... Es ist nicht mehr zu fassen. Auch was einem dann noch unterstellt wird!Während laufendem Betrieb warfen Vermummte Steine & Gläser gefüllt mit Farbe und Buttersäure gegen die Fenster sowie in die Kneipe.

 

 

 

 

 


16. Aug 2019 – Antifaschistischer Besuch im Vorfeld des Gedenkens an Rudolf Heß [11]

Innerhalb einer Woche wurden mehrere Neonazis zuhause besucht und deren Kneipen angegriffen, um ihnen die Teilnahme am bevorstehenden Neonaziaufmarsch zu erschweren. Eines der Ziele war der Zapfhahn88.


21 April 2020 – Farbangriff

Mit mehreren Beuteln schwarzer und roter Farbe wurden die Kneipe erneut markiert. Das „AFA“ an der Wand neben der Tür stammt noch vom letzten Angriff.


29. Aug 2020 – Angriff im Vorfeld des Aufmarsches des III. Weg in Hohenschönhausen [12]

Erneut landen Farbgläser an der Fassade, zudem geht das Fenster der Eingangstür hinter den Rolläden zu bruch. Auf dem Gehweg vor der Kneipe steht „03.10 Nazifrei!“. Die Aktion reiht sich ein in eine Serie von Angriffen im Vorfeld des Aufmarsches des III.Weg in Hohenschönhausen. [13] [14] [15]


31. Okt 2020 – Erneuter Angriff und/oder Anfang der Schließung

Front des Zapfhahn. Die 88 fehlt mittlerweile im Namen, das Namensschild ist löchrig. Farbflecken und Graffiti sind ebenfalls noch vorhandenDas Schild über dem Fenster ist demoliert und die Hausnummer 88 ist verschwunden. Ob es erneut einen Angriff gab oder ob sich hier die anstehende Schließung bemerkbar macht ist unklar.

 


29. Nov 2020 – Auf Facebook gibt der Zapfhahn88 die Schließung bekannt [16]

Facebookpost des Zapfhahn88 mit Weihnachtsbild. Dazu geschrieben: Wir werden uns wohn nicht mehr sehen können, denn der Zappel wird geschlossen. Bleibt alle gesund und VIELEN DANK für 25 Jahre Freundschaft

Der Auslöser für die Schließung wurde nicht angegeben. Es steht fest, dass seit dem Angriff vom 21. April 2020 keine Reparaturen (abseits von etwas Klebeband hier und da)  mehr stattgefunden haben. Selbstredend wird auch die Pandemie ihren Teil zur finanziellen Schieflage beigetragen haben.


Alt-Hohenschönhausen ist somit durch jahrelange antifaschistische Anstrengungen von einem bekannten Neonazitreffpunkt befreit. Es bleibt zu beobachten, ob die Inhaberin Sybille Wczassek erneut in Erscheinung tritt, was aus dem Laden wird und wie sich dadurch rechte Aktivitäten im Kiez entwickeln.

Antifa wirkt!

Quellen:

[1] Motiv Rechts Spezial
[2] Unscheinbarer NPD Tarnverein
[3] Fightback 06
[4] "Zapfhahn 88" Familienkneipe mit Nazianhang - Pt 1
[5] "Zapfhahn 88" Familienkneipe mit Nazianhang - Pt 2 "NPD Lichtenberg"
[6] Die Köpfe der Berliner "Schutzzone"
[7] Aktionen gegen Neonaziläden
[8] Farbe für Naziladenfassade
[9] Facebookpost des Z88 nach dem Angriff
[10] RBB Beitrag über den Angriff
[11] Nazigedenken wirft Schatten!
[12] NPD Kneipe "Zapfhahn88" demoliert
[13] Kanzlei von Nazi-Anwalt Carsten Schrank angegriffen
[14] Kanzlei von NSU-Anwalt Wolfram Nahrath Besuch abgestattet 
[15] Nazikneipe "Lokal 18" in Naumburg angegriffen - III. Weg zerschlagen! 
[16] Facebookpost zur Schließung